ein Artikel aus der Evangeliums Posaune von 1938 geschrieben von W. Naylor (S.223)

Es gibt auf dem religiösen Gebiet wohl kaum etwas anderes, das einen Menschen mehr beunruhigen kann, als der Gedanke, gegen den Heiligen Geist gesündigt zu haben. Satan findet Freude daran, manche aufrichtige Seelen mit dieser Anklage zu quälen. Ich bekomme ständig Briefe von Leuten, die von der Furcht gepeinigt werden, dass sie die Sünde gegen den Heiligen Geist begangen haben, und die sich in einem Zustand der Hoffnungslosigkeit befinden, weil uns in der Heiligen Schrift gesagt wird, dass diese Sünde nicht vergeben werden kann. Erst kürzlich schrieb jemand an mich: „Es ist mir immer, als ob ich eine Stimme vernehme, die mir sagt, dass ich gegen den Heiligen Geist gesündigt habe. Ich bin mir nicht bewusst, dass ich irgendetwas Unrechtes getan habe, seit ich von meinen Sünden erlöst wurde. Ich habe mich bemüht, Gott wohlzugefallen und recht zu leben. Ich bin mir keiner bestimmten Sünde bewusst, und doch werde ich von der Furcht gequält, dass ich gegen den Heiligen Geist gesündigt habe.“

Was ist die Sünde gegen den Heiligen Geist?

Diese Frage wollen wir mit der Hilfe Gottes zunächst beantworten.

Es gibt diesbezüglich viele verschiedene Auslegungen. Manche sagen, dass es der Unglaube ist; andere meinen, es wäre Mord; wieder andere sagen uns, dass die Sünde gegen den Heiligen Geist darin besteht, dass man dem Geiste Gottes beständig widerstrebt, wenn er den Menschen zur Buße ruft, und so gibt es noch viele andere Erklärungen. In einem gewissen Sinne ist ja alle Sünde gegen den Heiligen Geist gerichtet, denn wenn gegen eine Person der Heiligen Dreieinigkeit gesündigt wird, so sündigt man gegen die ganze Dreieinigkeit, und da der Heilige Geist der Repräsentant der Dreieinigkeit Gottes den Menschen gegenüber ist, so wird er durch Sünden aller Art berührt und betrübt. Unter dem aber, was als die Sünde wider den Heiligen Geist bezeichnet wird, haben wir mehr als das zu verstehen.

 

Wohl kann die Sünde wider den Heiligen Geist aus einer bestimmten Tat oder Handlungsweise bestehen, wie Jesus im Matth. 12, 31. 32 von der Lästerung wider den Heiligen Geist redet. Das, was im zehnten Kapitel des Hebräerbriefes gesagt wird, ist aber viel weitreichender als nur irgendeine bestimmte Tat oder Handlung. In beiden Fällen ist es eine bestimmte Herzensstellung, die der Tat, durch die diese Sünde offenbar wird, zugrunde liegt, und eben aus dieser besonderen Herzensstellung geht die Tat hervor. Sie entspringt einer tiefen Feindschaft des menschlichen Geistes dem Geiste Gottes gegenüber, wodurch die Sünde zu einer solchen wider den Heiligen Geist wird, die nicht vergeben werden kann. Ja, es ist tatsächlich die Herzensstellung und nicht so sehr die Tat selbst, die nicht vergeben werden kann.

 

Es gibt keine Gnade für den, der gegen die Heiligen Geist gesündigt hat. Sünde ist Feindschaft gegen Gott. Diese Begriffsbestimmung schließt nicht diejenigen Sünden ein, in die ein Mensch fällt, wenn er plötzlich von einer Versuchung überwunden wird oder dergleichen; denn dieses sind nicht mutwillige Sünden in dem Sinne, dass sie aus der verkehrten, feindseligen Herzensstellung Gott gegenüber entspringen. Sünde, die der Mensch infolge von Versuchung, die von außen an ihn herantritt, begeht, kann nicht als Sünde gegen den Heiligen Geist betrachtet werden.

 

Es muss daher eine mutwillige, vorsätzliche Sünde sein. Aber auch selbst dadurch, dass eine Sünde absichtlich und vorsätzlich ausgeübt oder getan wird, wird sie noch nicht zur Sünde wider den Heiligen Geist; denn auch vorsätzlich ausgeübte Sünden können auf wahre Buße und Glauben hin vergeben werden. Es muss noch etwas Tieferes zugrunde liegen, eine völlige Missachtung und Verwerfung Gottes.

 

Es gibt zwei Klassen von Sünden, die nicht vergeben werden können. Erstens: alle Sünde bleibt unvergeben, wenn der Mensch nicht Buße darüber tut. Im Hebr. 6 ist von solchen die Rede, die auf einem Punkte angelangt sind, wo sie nicht mehr Buße tun können, und ohne Buße ist es unmöglich, Vergebung zu erlangen. Solche Menschen nehmen solch eine feindselige Stellung Gott und allem Guten gegenüber ein, dass sie nicht länger mehr eine Neigung im Herzen haben, das Gute zu tun. Die Tatsache, dass sie keine Buße mehr über ihre Sünde tun können, veranlasst auch den Heiligen Geist, sich nicht länger um sie zu bemühen, um sie zur Buße zu leiten. Es ist also ein Zustand dauernder Unbußfertigkeit, der nicht vergeben werden kann.

 

Solange der Mensch für seine Sünden Buße tun kann, kann er auch Vergebung erlangen, wenn er aber in seinen Sünden verharrt, bis er so verstockt und verhärtet ist, dass kein Ruf zur Buße mehr Eindruck auf ihn macht, so wird sein Zustand ein hoffnungsloser. Es ist aber auch klar: wenn ein Mensch sich weigert, der Stimme des Geistes und dem Ruf zur Buße Gehör zu schenken, so ist es seine eigene Schuld, dass er nicht Vergebung erlangt, und nicht Gottes Schuld.

 

Die andere Art der unverzeihbaren Sünde ist die Sünde, die ihrem Wesen nach und wegen des Zustandes des Herzens, aus dem sie entspringt, solcher Art ist, dass Gott sie nicht vergeben kann. Sie wird aber nur mutwillig begangen und auch erst dann, wenn der Zustand des Herzens so gottfeindlich geworden ist, dass eine so schreckliche Sünde daraus entspringen kann.

 

Weil es gewissenhafte Kinder Gottes gibt, die manchmal vom Feind angeklagt werden, dass sie diese Sünde begangen hätten, so will ich gerade hier sagen, dass es für ein Kind Gottes nicht möglich ist, eine solche Sünde zu begehen. Das Herz des Kindes Gottes ist nicht feindselig gegen Gott, sondern ihm zugetan; es liebt Gott und hat ein Verlangen, ihm wohlzugefallen und seinen Willen zu tun. Nicht einmal verzeihbare Sünde kann aus einem solchen Herzen hervorgehen, wieviel weniger die unverzeihbare! Ein solch gottgefälliger Herzenszustand macht es ja für die Kinder Gottes möglich, in einer sündigen Welt und inmitten Versuchungen aller Art zu leben und doch nicht zu sündigen.

 

Wenn nun Kinder Gottes durch die Gnade des Herrn vor kleineren Sünden bewahrt bleiben können, könnte man sich dann auch nur vorstellen, dass sie die größte und schwerste aller Sünden begehen könnten? Ganz gewiss nicht. Alle Furcht, die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben, ist daher vollständig grundlos, solange ein Verlangen im Herzen ist, Gott zu gefallen, ihm zu dienen und zu gehorchen. Ein solcher Herzenszustand lässt sich nicht vereinigen mit dem Zustand des Herzens, aus dem die Sünde wider den Heiligen Geist entspringt. Sogar gewöhnliche Rückfällige, die noch immer ein zartes Gewissen und ein Verlangen nach Gott haben, könnten nicht dieser Sünde schuldig sein.

  

Solltest du, lieber Leser, zu denen gehören, die von Furcht geplagt sind, die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben, bist dir aber bewusst, dass es das Verlangen deines Herzens ist, Gott wohlzugefallen und ihm zu dienen, so kannst du sicher sein, dass es nur eine Anklage des Teufels ist, der widerstanden werden muss wie allen andern Anklagen und Versuchungen. Wenn diese Befürchtung an dich herantritt, so frage dich: Ist es mein Verlangen, Gott wohlzugefallen? Liebe ich Gott in der Tat und Wahrheit? Ist mein Gewissen Gott gegenüber rein? Kannst du diese Fragen mit einem freudigen Ja beantworten, so widerstehe dem Teufel und weise ihn von dir! Behaupte den Sieg durch Jesum Christum, unsern Heiland und Erlöser!

 

Zum Schluss lasst mich noch sagen: von all den Hunderten, die mich um Rat fragten und befürchteten, dass sie die Sünde wider den Heiligen Geist begangen hätten, war nicht einer, der wirklich dieser Sünde schuldig war. In jedem einzelnen Falle haben sich die Befürchtungen als grundlos erwiesen. Wenn ein Mensch der Sünde schuldig ist, die nicht vergeben werden kann, so ist er sich dessen wohl bewusst und braucht nicht andere zu fragen; er weiß es selbst ohne jeden Zweifel.